Episode 2: Obacht vor Rechtschreibhilfe und Textvorhersage!

Rechtschreibhilfen und Auto-Text-Funktionen in Kurznachrichten und E-Mail-Programmen sind eine häufige Quelle für Unterhaltsames. Und manchmal auch für ernste Missverständnisse. Schreibfehler gibt es aber sicherlich so lange wie es Schrift gibt.

Ich fühle mich regelmäßig bevormundet, wenn Auto-Textvorhersagen meine selteneren (niedrigfrequenten) Wörter in andere, hochfrequentere umwandeln. Was kann ich dafür, dass die jeweilige KI einen beschränkten oder wenigstens einen deutlich von meinem abweichenden Wortschatz hat? Erst gestern bestand WhatsApp darauf, meinen Gruß an eine Niki de Saint Phalle liebende Freundin trotz mehrerer langsamer und wohlüberlegter Tippversuche zu verschlimmbessern. Mein Foto der Nanas in Hannover mit den Worten Die Nanas grüßen Dich! wurde konsequent in „Die Ananas grüßen Dich!“ verändert. Nein, taten sie nicht! – Wieso ist hier kein Lerneffekt zu spüren, wenn ich dreimal hintereinander Nanas eintippe? Ich denke KI ist so unheimlich lernfähig!?

Die Nanas von Niki de Saint Phalle an der Leine (Leibnizufer) in Hannover.
Mein Versuch, dies Foto als große Nanas abzuspeichern, wurde übrigens in “große Mamas” geändert …

Als textfixierte Person stocke ich auch, wenn sich dieses Muster auf der Rechtschreibebene wiederholt und nach einer Ordnungszahl, die ich mit einer Nummer samt Punkt geschrieben habe, automatisch groß weitergeschrieben wird. Ein Beispiel wäre ein Satz wie Sie hat 1. gar nichts eingekauft und war 2. sowieso nicht mal zum Schaufensterkucken unterwegs. Die von der Rechtschreibhilfe hier angebrachte Großschreibung ist irritierend: „Sie hat 1. Gar nichts eingekauft und war 2. Sowieso nicht mal zum Schaufensterkucken unterwegs.“ – Als deutsche Muttersprachlerin ist Groß- und Kleinschreibung nun mal relevant für mich. – Dasselbe passiert in manchen Programmen, wenn man eine Abkürzung wie bspw. (beispielsweise) oder z.B. (zum Beispiel) benutzt und danach klein weiterschreiben möchte. Es zeigt eben nicht jeder Punkt automatisch ein Satzende an, auch wenn das die häufigste Verwendung ist. Diese Kleinigkeiten können nerven.

Ein dagegen wirklich witziger Fehler ist mir vor ein paar Jahren auf der Zugfahrt nach Leipzig untergekommen. Ich wollte mich im Internet schnell noch etwas über Stadt und Leute belesen und hatte neugierig auf die Beschreibung für Leipziger Allerlei (ein Gemüsegericht) geklickt. Der Titel war korrekt geschrieben, aber im Fließtext hatte sich eine „Leipziger Allergie“ eingeschlichen. Seitdem frage ich mich, was das wohl sein könnte.

Für alle, die jetzt neugierig auf das Gericht sind, hier ein Foto: 

Eine Webseite für Tourismus in Sachsen versteckt untergejubelte Verschlimmbesserung (Foto: 16.10.2021).

Unterhaltsam fand ich ebenfalls den Vorschlag „Alea Aquarium“ für Alea Aquarius, die Heldin der gleichnamigen Jugendromane. In diesen saust die Heldin mit ihren Freunden durch und über die Weite der Meere und sie setzen sich für gobalen Umweltschutz ein. Auf keinen Fall in den Dimensionen eines Aquariums, egal wie groß!

Meine Nachricht „Die Familie wächst!“ (ich hatte eine Kamelie geschenkt bekommen, deren gutes Anwachsen ich mitteilen wollte, also Die Kamelie wächst!) war schon grenzwertig verwirrend. Unbemerkt und unverbessert abgeschickt löste diese Nachricht bei den Adressaten verwunderte Vermutungen über unsere Familienplanung aus.

Ein reiner Grund zum Lachen war wiederum die Empfehlung einer Freundin, die neulich einer vergrippten Bekannten per Kurznachricht den Verzehr von Hühnersuppe vorschlug. D.h. ihn vorschlagen wollte. Denn das wurde unbemerkt zu wenig empfehlenswerten Hühneraugen geändert.

Ich bin sicher, es gibt noch viele andere Beispiele für sich einmischende Rechtschreibhilfen und Textvorhersagen. Witzige, peinliche oder auch welche mit echt schlimmen Folgen. Schreibt mir, wenn Ihr mögt, damit ich Eure Erlebnisse hier teilen kann.

Natürlich hat es auch lange vorm Computerzeitalter schon Textbearbeitungsfehler gegeben. Ein Beispiel habe ich auf einem niedersächsischen Fachwerkhaus gefunden. Die gereimte lateinische Inschrift auf einem Balken sollte offensichtlich lauten: Post lachrima risus post exilium paradisus. Übersetzt: Nach der Träne Gelächter, nach der Verbannung das Paradies. (Hier habe ich über den Unterschied lachrima gegenüber lacrima gegrübelt – aber über sprachliche Variation wird es ein andermal gehen.)

Peterssches Haus (Ältestes Fachwerkhaus in der Stadt Springe am Deister).

Spätestens bei der letzten Renovierung wurde das L in exilium (Exil, Verbannung) nicht mehr korrekt ausgemalt. Obwohl beim Schnitzen Platz dafür gelassen wurde. Allerdings recht wenig, so dass die ungünstige Raumaufteilung beim Schnitzen einer Fehlinterpretation bei der Renovierung Vorschub geleistet haben mag. Womöglich wurde dies begünstigt durch einen späteren Schaden am Balken, bei dem der untere Strich des L verloren ging. Nun steht am Haus geschrieben post exiiium paradisus. Konnte die vergoldende Person kein Latein bzw. hatte vielleicht eine fehlerhafte Schriftvorlage, weil der Lesefehler schon auf der Ebene der Auftragserteilung passierte? Oder entschloss man sich, den schadhaften Balken zu belassen und das teilweise Fehlen des großgeschriebenen L mit einem goldenen I, das ja auch ein kleines l sein kann zu kaschieren. Vielleicht erschien dabei die Verwendung eines Kleinbuchstabens in einer ansonsten in Kapitalschrift verfassten Inschrift als akzeptables Übel? Wer weiß. (Ich glaube, ich mache mir hier zu viele Gedanken. Ockhams Rasiermesser und so weiter.)

Im Wort exilium kommt erst ein X (auch Abkürzung für zehn) und dann ein V (für U, auch lateinisch für fünf) vor. Weil dort also vermeintlich Zahlen stehen, wurden möglicherweise beim Vergolden alle fünf Zeichen entsprechend uminterpretiert. Die beiden Is und das schmale L wurden nach dieser Interpretation zu drei Is umgedeutet und entsprechend nachgemalt. Ergebnis so etwas wie: poste 12 4 m paradisus. Hmmm. Auch möglich. Habt Ihr eine schlauere Erklärung?

Was auch immer auf dem Balken des Petersschen Hauses passiert ist, damals wie heute gilt:
Je besser man die textbearbeitende Instanz vorher mit Daten füttert, umso akkurater das Endergebnis!

Soviel zum Thema Pannen bei der Textvorhersage. Vorlese- und Hörfehler sowie Versprecher sind noch einmal ganz andere aber gleichermaßen fruchtbare Themen. Ebenso das Thema Übersetzungsfehler.

Aber davon erzähle ich Euch ein andermal!

Mein herzlicher Dank für dieses qualitativ hochwertige Detailfoto geht an einen aufmerksamen Springer Leser dieses Blogs (erhalten am 05.04.2025):
Es lässt sich hier erkennen, dass das L in exilium noch in Teilen erhalten ist.

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Episode 2 engl.: Beware of spelling aids and text prediction!

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Episode 1 engl.: Du or Sie